Tief im Val d'Hérens erhebt sich ein scheuer, geheimer und stolzer Berg: die Singla. Obwohl er der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt ist, herrscht er über diese abgelegene Seite des Wallis wie ein vergessener Wächter. An jenem Morgen, als das Wolkenmeer die Täler noch in seinen Baumwollmantel hüllte, tauchte er auf. Der Anblick war kurz, aber überwältigend. Inmitten der Windböen entwand sich die Singla der Dunkelheit. Ihr scharfer Kamm zerteilte die Nebel, während das Licht einer noch zaghaften Sonne an ihren Granitflanken entlang glitt. Er erschien nicht in der Ruhe - sondern in einer Bewegung, einem Atemzug, einem Kampf. Ein dramatischer Moment, in dem sich die Natur nicht als Kulisse, sondern als lebendige Kraft offenbart.

Ich fotografierte die Singla von einer Anhöhe aus. Dort oben scheint die Zeit eingefroren zu sein. Man hört nur den Wind, der durch die Felsen rauscht, und die Gedanken, die nach und nach verstummen. Vor einem Berg wie diesem spricht man nicht mehr. Man hört zu.

Was mich an ihr so sehr berührt, ist die Art und Weise, wie sie Rauheit mit Eleganz verbindet. Er ist weder der höchste noch der berühmteste Berg, aber seine schlanke Silhouette, die sich aus den Wolken erhebt, besitzt eine seltene Noblesse. Sie erinnert an ein Schiff, das am Rande des Himmels gestrandet ist, ein windgepeitschter Bug, unberührt und unbezwingbar.

Dieses Werk ist eine Hommage an die Berge, die man nicht ohne Anstrengung erreichen kann - weder körperlich noch innerlich. Denn die Singla erfordert Geduld, Demut und Hingabe, um sich zu offenbaren.

Mit diesem Porträt möchte ich Sie einladen, eine intimere Seite der Alpen zu entdecken. Eine, in der das Unbekannte majestätisch wird, in der das Vergessene ans Licht kommt. La Singla ist kein starres Monument: Sie ist eine Erscheinung. Eine flüchtige Erscheinung. Ergreifend. Unvergesslich.