Im Wechsel der Jahreszeiten ziehen die Herden an den Hängen der Alpen auf und ab. Inalpe und Desalpe werden von den Menschen im Herzen der Täler gefeiert. Was ist das für eine jahrtausendealte Tradition, die die Almen verzaubert und über die höchsten Berge hinweg hallt? Machen wir uns gemeinsam auf den Weg, um die Transhumanz in den Alpen zu entdecken.
Die Transhumanz in den Alpen : Entstehung einer jahrtausendealten Tradition
In der Blütezeit des Mittelalters machten sich die Menschen ihre Umwelt zu eigen. Auf den hoch gelegenen Weiden trieben sie ihr Vieh je nach Jahreszeit umher. Zwischen den Alpen und der Mittelmeerküste wurden die Herdenbewegungen immer größer. Hier entstand die Transhumanz, die in der lateinischen Sprache als "jenseits der Erde" bezeichnet wird. Seit dem 12. Jahrhundert leben die Alpen so im Rhythmus des unaufhörlichen Hin und Her der Herden, Schafe und Kühe, die den Sommer in den Höhenlagen verbringen und im Herbst wieder in die Ebenen hinabsteigen, um dort Schutz zu suchen. Das saftige Gras der Wiesen, das vor dem Appetit der Tiere geschützt ist, wird so zum unschätzbaren Futter für den Winter.
Die Transhumanz wird als saisonal bezeichnet, wenn die Hirten ihre Herden jedes Jahr zu denselben Weiden treiben. Diese Bergweiden, die den ganzen Sommer über Rinder und Schafe beherbergen. In den Alpen wird diese Wanderung zu den Almen Inalpe genannt, während die Desalpe die Rückkehr des Viehs in die Ställe bei Wintereinbruch bezeichnet.

Von Winterwanderung spricht man, wenn die Viehzüchter ihre Schafe in der kalten Jahreszeit von einer Wiese zur nächsten treiben. Da sie nicht genug Futter haben, um ihre Tiere im Stall zu mästen, bieten sie ihnen die frische Luft und die sternenklaren Nächte. In den Schweizer Alpen versammeln sich diese Herden im Schutz des Schnees auf den immergrünen Flächen, die ihnen die Landwirte zur Verfügung stellen. Denn auf der Weide tragen die Schafe durch die Düngung zur Anreicherung der Böden bei.
Die Wanderschäferei ist eine Tochter der Weidewirtschaft und trägt zur Unterstützung der lokalen Wirtschaft und zur Aufwertung der alpinen Qualitätsprodukte bei. Vor allem aber trägt dieser althergebrachte Brauch zur Erhaltung des Ökosystems und des Kulturerbes der Berge bei. Die Sömmerung hat im Hochgebirge ein so wertvolles Mosaik aus Wäldern und Weiden geschaffen, dass der Schutz dieser Alpenlandschaft sogar in der Schweizer Verfassung verankert ist.
Transhumanz in den Schweizer Alpen: Wenn aus dem Inalp die Poya wird
In den Schweizer Alpen trägt die Transhumanz ein anderes Kleid. Aus dem Inalp wird die Poya, wie übrigens auch in den Tälern von Aosta und Chamonix. Wenn der Schnee verblasst und das Leben auf den Hochweiden wieder erwacht, weht der Wind der Sömmerung in die Ebenen. Das Ereignis rückt näher: Es wird ein Samstag Ende Mai oder Anfang Juni sein. Also steht man im Morgengrauen auf und die Herden werden unruhig. Sie wissen, dass die Zeit gekommen ist, sich auf die Höhen zu begeben. Zeit, um frisches Gras zu fressen und endlich den milden Himmel zu genießen.
Jeder Kanton hat seine eigene Spezialität. Beim Walliser Alpaufzug liefern sich die stärksten Kühe Königinnenkämpfe, um ihre Macht über die Herde zu festigen. Während im Waadtland die Hierarchie in relativer Ruhe aufgebaut wird. Ganz oben werden mit der Transhumanz die helvetischen Traditionen fortgesetzt. Was wäre der Kanton Freiburg ohne seinen Alp-Greyerzer, der seit dem 16. Jahrhundert hergestellt wird? Was wären die Schweizer Berge im Sommer, wenn sie nicht vom unverwechselbaren Klang der Kuhglocken widerhallen würden?

Die Sömmerung ist eine Gelegenheit für Volksfeste. Die Sennen, die Hirten der Schweizer Alpen, kleiden sich dann in ihre schönste Tracht. Der Bredzon besteht aus einer mit Edelweiß bestickten Jacke, einer Hose, einem Hemd und einer Strohhaube, die man Capet nennt. Über der Schulter tragen sie eine Tasche für das Salz und gehen stolz mit einem Stock in der Hand voran. Es geht darum, wer die schönsten Tiere führt. Die Kühe sind mit wunderschönen Blumen geschmückt und einige tragen imposante Schellen, die von den schönen Tagen singen und die Herzen höher schlagen lassen. In dieser Prozession zieht ein Maultier auf einem Wagen alle Materialien, die die Hirten für ein gutes Leben auf der Alm und die Herstellung ihres besten Käses benötigen.
Der Alpabzug oder die Rückkehr der Sömmerung in den Schweizer Alpen
Wenn der Tag schneller der Nacht weicht und das Gras allmählich knapp wird, verlassen die Herden die Almen und ziehen, angeführt von ihren Führern, wieder in die Täler hinunter. Auf den Schweizer Bergen ist die Zeit für den Alpabzug oder die Rindya gekommen. Die Kühe tragen dann nicht mehr ihre Weideglocke um den Hals, sondern eine riesige Schelle, deren Echo über die Wege hallt, um ihre große Rückkehr anzukündigen. Mit Blumen geschmückt, wissen sie, dass es Zeit für sie ist, in den Stall zurückzukehren.

Nachdem auch die Hirten ihre Festtagskleidung angezogen haben, läuten sie mittags den Aufbruch zur Transhumanz ein, um am Nachmittag die Dörfer zu erreichen. Die Leitkuh führt den Weg an, gefolgt von den ältesten Tieren, während die jüngeren und ängstlicheren Kühe der Herde folgen. Während die Herde in die Höhe wandert, versammeln sich Dorfbewohner und Touristen auf den Straßen, um sie zu begrüßen. In einer volkstümlichen Atmosphäre, in der sich Folklore mit Lebensfreude vermischt, bejubelt die Menge die Rückkehr der Tiere. Der Käse, der während des Sommers auf den Almen produziert wurde, wird geehrt. Die Alpen feiern so die Mutter Erde im Rhythmus der Jahreszeiten. Dann, bei Einbruch der Nacht, trunken von Musik und Entzücken, kehren alle nach Hause zurück, um mit der Familie die Rückkehr der Hirten und ihrer Herden zu feiern.
Transhumanz in den Alpen: Die Zukunft der Weidewirtschaft
Die Transhumanz, der jahreszeitliche Wechsel der Herden, ist nun Teil des von der UNESCO definierten immateriellen Kulturerbes der Menschheit. Ob in Frankreich, Österreich, Italien oder der Schweiz - die Wanderschäferei genießt damit einen Status, der ihrer Verwurzelung in der alpinen Kultur würdig ist.
Die Schäferei ist heute international anerkannt, aber dennoch vom Aussterben bedroht. Schäfer zu werden ist eine Berufung, denn der Beruf ist hart und anspruchsvoll. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Alpenlandschaften machen die Situation noch schlimmer. Die Gletscher ziehen sich zurück, es gibt weniger Schnee und das Wasser wird in den höheren Lagen immer knapper. Wie können dann die Bedürfnisse der Herden und der Menschen erfüllt werden? Wie können die Käsereien unterhalten werden, wenn es in den Almhütten nicht mehr genügend Wasser gibt? Auch Bergwiesen werden immer seltener, da das einst unberührte Land bebaut oder kultiviert wird. Auch der Lebensstil der modernen Bauern und die Industrialisierung der Landwirtschaft fördern das Nomadenleben nicht.

Wie können die Hirten die lange Tradition der Transhumanz in den Alpen fortsetzen, abgesehen von dem malerischen Bild, das die Öffentlichkeit verführt? In einer Zeit, in der sich die Agrarökologie entwickelt, liegt die Zukunft der Schäferei jedoch in ihren Händen. Dank ihres Know-hows, ihrer perfekten Kenntnis der alpinen Umwelt und ihrer tiefen Verbundenheit mit der Transhumanz müssen sie diese Lebensweise, die seit Jahrhunderten in der Geschichte der Alpen verankert ist, neu erfinden.