Im Mischabelmassiv blendet ein ungekrönter König das Wallis. Das Täschhorn erhebt sich über dem Dorf Täsch, während es im Schatten seines Nachbarn, des Doms, bleibt. Ein schwer fassbarer Koloss von wilder Schönheit, ein unerreichbares Juwel am Himmel der Alpen. Ich schreibe heute ein Porträt des Täschhorns, wie eine Ode, die dem Hochgebirge gewidmet ist.
Täschhorn-Porträt: Königsgeburt im Mischabelmassiv
Von Saas-Fee aus gibt sich der Berg diskret, ein treuer Begleiter des Mischabel-Domes. Aber von Zermatt aus erzählt uns das Täschhorn eine ganz andere Geschichte. Die eines Königs ohne Schmuck und Krone, der jedoch über die Alpen und die Mischabel herrscht. Die Geschichte einer Pyramide aus Gneis und Schiefer, die sich auf 4491 m Höhe allein den Elementen entgegenstellt. Drei Grate und drei schwindelerregende Seiten, die nur die tapfersten Männer eines Tages besteigen können.

Die Ostwand des Täschhorns dominiert Saas-Fee und den Feegletscher. Die Westwand oberhalb von Täsch und Randa hat ihre Wurzeln im Kingletscher. Und seine Südwand wacht über Täschalp und den Weingartengletscher. Natürlich erhebt sich der Berg nicht so hoch wie der Dom. In den Augen der Geografen bleibt er der ewige Zweite. Aber dennoch gelingt es ihm, sich zum König der Schweizer Alpen aufzuschwingen. Denn seine Grate sind riesig und seine Wege unendlich. Seine Silhouette ist beeindruckend und seine Wände majestätisch. Abgeschieden von der Welt setzt der Gipfel seine steilen Grate und tiefen Risse den Winden aus. Das Täschhorn erhebt sich wie ein Elfenbeinturm am südlichen Ende der Mischabels.
Besteigung des Täschhorns: Premieren auf dem Gipfel des Mischabelmassivs
Der Gipfel des Täschhorns bleibt bis zum 30. Juli 1862 unerforscht. An diesem Tag bestiegen Stefan und Johann Zumstaugwald, John Llewelyn Davies, J.W. Hayward und Peter-Josef Summermatter den Berg über seine Nordwestseite. Vier Jahre, nachdem sie den Mischabel-Dom bezwungen hatten, überwanden die Bergsteiger die Eiswand, um den Gipfel des Gneistitans zu erreichen.
Am 7. August 1876 wird auch die Ostwand des Täschhorns bezwungen. Alexander Burgener, Laurent Proment, Benedict Venetz, P. Watson und Florence Thomas Wethered ebnen den Weg für zukünftige Seilschaften. Einige Tage später, am 15. August 1876, erreichte James Jackson in Begleitung von Christian und Ulrich Almer zum ersten Mal den Gipfel des Täschhorns über den Südostgrat. Die Erschliessung der Täschalp-Alpen und der Bau des Biwaks auf dem Mischabeljoch im Jahr 1966 haben sicherlich zum Erfolg der Bergsteiger beigetragen. Die einst abgelegene Route war nun endlich zugänglich geworden.
Am 16. Juli 1887 gelang Alexander Burgener, Albert-Frederick Mummery, Mary Petherick Mummery und J. Andenmatten die Erstbesteigung des Teufelsgrats oder Teufelsgrats. Dieser Königsweg zu den Mischabels ermöglicht den Zugang zum Gipfel des Täschhorns von Südwesten her.
Porträt des Täschhorns: Erstbegehung seiner Südwestwand
Im Südwesten ist das Täschhorn durch eine uneinnehmbare Mauer von der Welt abgeschirmt. Jeder, der eines Tages versucht, sie zu durchbrechen, riskiert den Tod. Ein Schatten liegt über dem Berg, den nur ein Held vertreiben kann. Dennoch wagt es ein Mann, sich ihm zu stellen. Im Angesicht dieser senkrechten, eisigen Wand gab er nicht nach. Der 19-jährige Franz Lochmatter ist ein Meister des Kletterns. Am 11. August 1906 startete er eine Expedition, die in die Geschichte eingehen sollte. Die Leistung eines Lebens.

Franz Lochmatter verlässt das Tal an der Seite seines Bruders Josef Lochmatter und ihres Kunden V.J.E. Ryan. Eine weitere Seilschaft schließt sich ihnen an, die aus G.W. Young und Josef Knubel besteht. Am Fuße der Südwestwand des Täschhorns beraten sich die Bergsteiger, um ihre Route festzulegen. Dann stürmen sie die Wand. Auf halber Höhe finden sich die Seilschaften zusammen, um gemeinsam die Schwierigkeiten zu bewältigen. Schnee- und eisbedeckte Serpentinen, Ausläufer und Vorsprünge: Die Gefahr ist überall. Die Müdigkeit droht, als der Schnee plötzlich zu fallen beginnt. Über ihnen thront die Wand, die unbesiegbar scheint. Seine Kameraden zögern, sie suchen nach einem Ausweg, aber Franz Lochmatter macht keine Kompromisse. " Es muss doch weitergehen! " Sie haben keine Wahl. Er geht voran, folgt seinem Instinkt und überwindet die Hindernisse, die die Natur ihm in den Weg stellt. Die Männer sind erschöpft, aber sie schöpfen neue Hoffnung. Sie schreiten an der Felswand entlang.
Als sie plötzlich wieder in einer Falle sitzen. Eine unlösbare Falle. Sie werden von allen Seiten überrollt und können sich nicht befreien. Diese Sackgasse könnte für sie tödlich sein. Zu allem Überfluss frischt der Wind in der Höhe auf. Die Schneeböen scheinen sie bereits zu verschlingen, als Franz Lochmatter beschließt, alles auf eine Karte zu setzen. Im Kampf gegen Eis und Schnee bahnt er sich mit der Geschicklichkeit der größten Bergsteiger den Weg zum Gipfel des Täschhorns. G.W. Young beobachtet ihn und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Er ist der einzige, der sieht, wie Franz Lochmatter abrutscht, bevor er sich mit bloßen Händen am Felsen festklammert und die Beine in die Luft streckt. Diesmal war es wirklich knapp! Der Mann atmete durch und zog Bilanz. Er sieht keinen Ausweg. Das Team kann nicht mehr hinunterklettern. Der Sturm droht sie mitzureißen, sie sind erschöpft. Sie müssen weiter aufsteigen, wenn sie diese Expedition überleben wollen.
Josef gelingt es, zu seinem Bruder aufzuschließen. V.J.E. Ryan versucht ebenfalls zu klettern, aber er erstickt unter dem Druck des Seils, das ihn umklammert. Plötzlich wird es still auf dem Berg: Ryan hat das Bewusstsein verloren. Also nehmen die Lochmatter-Brüder ihre letzten Kräfte zusammen. Es gibt keine Minute mehr zu verlieren. Gemeinsam ziehen sie den leblosen Körper ihres Kameraden, der wie ein unheilvoller Vogel durch die Luft wirbelt. Mit einer Hand halten sie sich an der Felswand fest, mit der anderen ziehen sie ihn hinter sich her. Ob Siegeswut oder starker Wille, ihre Anstrengungen zahlen sich aus. Ryan kommt zu sich und schafft den Schritt.
Nun ist es an G.W. Young, die Wand zu erklimmen. Doch dieses Mal können ihm die Lochmatter-Brüder nicht helfen. Er ist schwerer als sein Vorgänger. In der Luft hängend erzeugt Young eine Pendelbewegung, die den Lochmatters die Möglichkeit gibt, sein Seil hochzuziehen. Um seine geschundenen Arme auszuruhen, setzt Young manchmal seine Zähne ein und kriecht, dem Unmöglichen trotzend, zu seinen Kameraden zurück. Josef Knubel überwindet schließlich diese Tortur, während er die gesamte Ausrüstung trägt.

Die Bergsteiger haben noch eine letzte Etappe vor sich. Über ihnen lauert der Gipfel des Täschhorns aufmerksam auf ihren erstaunlichen Fortschritt. Gegen 16 Uhr übernimmt Franz Lochmatter die Führung der Seilschaft. Über gewundene Felsen und riesige Platten gelingt es ihm, den Grat des Mischabelgrats zu erreichen. Noch ein paar Meter Hartnäckigkeit und die Gruppe erreicht den begehrten Gipfel. Um 18 Uhr können die Männer endlich ihre riesige Freude in den Alpenhimmel schreien. Sie haben soeben die Erstbesteigung der Südwestwand des Täschhorns geschafft. Eine Leistung, die den wildesten Odysseen würdig ist. Franz Lochmatter ist wirklich kein gewöhnlicher Mann. G.W. Young vertraut ihm an: " Mein lieber Franz, Sie werden nie etwas Schwierigeres tun ". Darauf antwortet Franz: " Gewiss, man könnte es kaum besser machen. " Die Worte sind klar und der Sieg ist eindeutig.
Unter dem bewundernden Blick der Gipfel des Wallis holen die erschöpften Männer wieder Luft. Ein letztes Mal betrachten sie den grandiosen Horizont, der aus Nebel und Eis besteht und ihren Traum erfüllt. Dann, mit einem letzten Schwung, steigen sie das Täschhorn auf der Normalroute hinab. Nach der Überquerung des Kingletscher kommen sie gegen 23 Uhr in Randa an. Im Abendlicht genießen sie ein Abendessen, dessen authentische Aromen ihrer epischen Reise gerecht werden. Ihr Glück hallt in dieser Sommernacht vom Talboden bis zu den höchsten Gipfeln wider. Sie werden diesen einzigartigen Tag nie vergessen.
Die Besteigung der Südwestwand des Täschhorns gilt seither als eine der kühnsten Touren, die man am Gipfel der Alpen unternehmen kann. Über diese Expedition sagte G.W. Young: "Franz Lochmatters Leistung war die größte, die ich je in den Bergen erlebt habe". Die Wiederholungen waren übrigens selten und ließen die gefürchtete Südflanke verwahrlosen.
Nach und nach löscht die Zeit die Rückschläge und den Ruhm aus. Hat ein unbezwingbarer Gipfel wirklich einen Platz in den Herzen der Menschen? Heute bekommt der König der Mischabel die Folgen des Klimawandels mit voller Wucht zu spüren. Seine Wände brechen und stürzen jedes Jahr mehr und mehr ein. Sein Eis verdunstet wie die Erinnerung an die epischen Premieren. Sich dann auf den Gipfel des Täschhorns zu wagen, bleibt den erfahrensten Bergsteigern vorbehalten. Im Jahr 2023 hatte ich das Glück, an der Seite meines Bergführers Nicolas Vuadens die Überschreitung des Täschhorns am Dom des Mischabels zu machen.
